Unterstützung für Familien
Wenn Elternteile schwerwiegend psychisch erkrankt sind, ist die gesamte Familie davon betroffen und sollte grundsätzlich als ganzes unterstützt werden. Auf dieser Seite finden Sie zum einen einen ersten Überblick über Punkte, die diesen Ansatz erschweren und zum anderen einen Überblick über wichtige Unterstützungsansätze für Eltern und Kinder mit entsprechender Verlinkung.
1. Was eine Unterstützung betroffener Familien erschwert
Eine Unterstützung der Familie, wenn Elternteile psychisch schwerwiegend erkrankt sind, ist in der Praxis aus unterschiedlichen Gründen nicht immer ganz so einfach. Die im Folgenden aufgelisteten Punkte spielen dabei eine wichtige Rolle. Sie erheben aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Grundsätzliche Freiwilligkeit der Hilfeannahme durch psychisch erkrankte Eltern
Hilfe als als psychisch erkrankter Erwachsener für sich anzunehmen geschieht grundsätzlich auf Basis der Freiwilligkeit. Nur in den extrem engen Grenzen der Landesgesetze zur Unterbringung psychisch Erkrankter und deren Betreuung dürfen Zwangsmaßnahmen stattfinden, so dass es erst zu einer so genannten Selbst- oder Fremdgefährdung durch den erkrankten Menschen kommen muss, bis ihm geholfen werden kann. Diese Regelung kann für Familien besonders belastend sein, bei denen Eltern unter Psychosen leiden – insbesondere im Rahmen von schwer ausgeprägten Manien oder Schizophrenien.
Auch die Annahme von Hilfen bei der Ausübung der Elternrolle ist grundsätzlich freiwillig. Erst bei Kindeswohlgefährdung endet die Freiwilligkeit einer Hilfeannahme durch Eltern. Vorher dürfen Eltern mit uneingeschränktem Personensorgerecht darüber frei entscheiden, ob sie für sich oder ihr Kind Hilfe z.B. in Form einer Familienhilfe, die das Jugendamt bewähren kann, oder Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie zulassen und jederzeit diese Hilfe für ihr Kind wieder beenden.
Unzureichende Vernetzung von Erwachsenenpsychiatrie und Jugendhilfe
Leider ist die Vernetzung zwischen Angeboten und Einrichtungen der Erwachsenenpsychiatrie wie Kliniken sowie niedergelassenen PsychiaterInnen und PsychotherapeutInnen und denen der Jugendhilfe noch sehr ausbaufähig. In Einzelfällen funktioniert sie, aber leider sind das noch eher Ausnahmen als die Regel.
Fehlendes Wissen über Kinderschutz und klientenzentrierte Behandlung in der Erwachsenenpsychiatrie
Dafür wiederum gibt es mehrere Gründe: Der Kinderschutz ist kein regulärer Ausbildungs- und Fortbildungsinhalt dieser Professionen. „Netz und Boden“ hat sich 2010-2011 im Rahmen eines EU-Projekts „Kids strengths“ bereits dafür engagiert, das zu ändern. Doch Menschen, die nicht den Professionen angehören, sind leider nicht berechtigt, solche Vorschläge einzubringen. Es besteht daher dort noch viel Unsicherheit, wann und unter welchen Voraussetzungen Kinderschutzmeldungen gemacht werden dürfen, obwohl 2012 im § 4 Kinderschutzgesetz diesbezüglich eindeutige Regelungen getroffen wurden. Darüber flächendeckend die BehandlerInnen der erkrankten Eltern zu informieren, ist ein wichtiger nächster Schritt. Ausführliche Informationen dazu sind in den Kinderschutzleitlinien der Arbeitsgemeinschaft der Medizinisch Wissenschaftlichen Fachgesellschaften e.V. enthalten
Kinderschutzleitlinie lange Fassung
Kinderschutzlinie kurze Fassung
Es bleibt zu hoffen, dass darüber hinaus der Erkrankte in seinem familiären System wahrgenommen wird und Angehörige nicht nur als Ressource für den Erkrankten wahrgenommen werden, sondern als Gruppe, die selbst Unterstützung benötigt – ganz besonders, wenn sie vom Erkrankten wie dessen Kinder abhängig sind.
Spannend ist noch, dass es das Wissen der Erwachsenenpsychiatrie ist, dass es für bestimmte psychiatrische Erkrankungen genetische Veranlagungen gibt, die zusammen mit starken Belastungen erstmals ausbrechen. Damit müssten eigentlich die dort tätigen Fachkräfte sich ganz besonders für einen rechtzeitigen Schutz der Kinder ihrer KlientInnen einsetzen, damit diese nicht zu ihren PatientInnen von morgen werden.
2. Unterstützungsmöglichkeiten für Familien
Auch die folgende Auflistung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Erschwerend hinzu kommt, dass teilweise in einzelnen Bundesländern bzw. Regionen die konkrete Angebote teilweise erheblich voneinander abweichen. Ausführliche Informationen zum jeweiligen Angebot finden Sie bei den Verlinkungen.
Guter Überblick vom Dachverband Gemeindepsychiatrie e.V. (2019)
Unterstützung für Familien mit psychisch erkrankte Eltern
- regionale Angebote, die sich auf Familien mit psychisch erkrankten Eltern spezialisiert haben (die genauen Zugangsvoraussetzungen hängen oft von deren Finanzierung ab, dort sind auch die Patenschaftsangebote für Kinder psychisch erkrankter Eltern verlinkt)
- Erziehungsberatungsberatung für Eltern und Beratung von Kindern (notfalls auch ohne Anwesenheit der Eltern) z.B. kostenlos über die Stellen von Caritas und Diakonie, Kinderschutzbund und Kinderschutzzentren, aber auch über Netz und Boden (kostenpflichtig)
- Jugendamt (kann Hilfen zur Erziehung wie Sozialpäd. Familienhilfe oder eine Gruppenteilnahme gewähren und notfalls auch die (zeitlich begrenzte) Aufnahme in eine Pflegefamilie oder Heim)
- Haushaltshilfe im Krankheitsfall bezahlt von der Krankenkasse (Kind bis zum 12. Lebensjahr), in Notsituationen vom Jugendamt oder privat z.B. vermittelt über den Notmütterdienst
Unterstützung für psychisch erkrankte Erwachsene (nicht speziell für Eltern)
- Psychotherapie (für bestimmte Therapieverfahren zahlt die Krankenkasse)
- PsychiaterInnen/HausärztInnen
- Psychiatrische häusliche Krankenpflege kann der Facharzt verordnen, Kosten trägt dann die Krankenkassen
- Soziotherapie kann bei bestimmten Diagnosen der Facharzt verordnen, Kosten trägt dann die Krankenkasse, sie dient der Vermeidung einer stationären Unterbringung des Erkrankten oder deren Nachbehandlung
- Pflegeleistungen – durch die Gleichstellung von psychischen Erkrankungen mit körperlichen Erkrankungen im Rahmen der letzten Pflegereform 2017 haben Menschen mit einer psychischen Erkrankung gute Chancen, einen Pflegegrad und dementsprechende Leistungen zu erhalten. Das gilt auch für deren Pflege durch die Angehörigen. Diese Chance wird oft noch nicht wahrgenommen. Legen Sie bei einer Ablehnung von Pflegeleistungen notfalls Widerspruch ein.
Pflegeantrag bei Depressionen stellen - Selbsthilfegruppen für bestimmte Diagnosen – für Betroffene und Angehörige
Über Nakos können Sie Ihre örtliche Selbsthilfekontakt- und Beratungsstelle finden und dort anfragen sowie überregionale Selbsthilfeangebote finden.