Ein Post der Neurowissenschaftlerin Barbara Studer auf LinkedIn hat mich an eine alte Tradition erinnert, die auch mein Vater immer praktizierte: Kalt duschen. Frau Studers Vater litt allerdings immer unter Depressionen und hat sich damit selbst behandelt. Das, was er intuitiv tat, scheint laut Frau Studer nun wissenschaftlich belegbar zu sein:
Das Eintauchen in kaltes Wasser oder kaltes Duschen setzt Endorphine frei und stimuliert andere neurochemische Substanzen im Gehirn . Nach einer kalten Dusche kann eine um bis zu 250% erhöhte Dopaminkonzentration im Gehirn gemessen werden (auch nach ein paar Stunden später). Dopamin ist als eines unserer Glückshormone bekannt und spielt eine wichtige Rolle für die Stimmungsregulation. In einer klinischen Studie (leider nicht verlinkt) berichteten Personen, die mehrere Monate lang täglich kalt geduscht haben, über einen im Vergleich starken Rückgang der Depressionssymptome. Eine andere Studie (leider nicht verlinkt) fand eine um 29 % reduzierte Krankheitsabwesenheit bei Teilnehmenden, die über mehrere Monate täglich kalt duschten. Darüber hinaus können sowohl Muskelübungen als auch kaltes Wasser dazu beitragen, Stresshormone wie Cortisol zu reduzieren und die Herzfrequenz zu optimieren, was dazu beitragen kann, Symptome von Angst und negativem Stress zu reduzieren.
Körpertemperatur ist bei Menschen mit Depressionen erhöht und passt sich schlechter an
In einer größeren Studie mit über 20.000 TeilnehmerInnen wurde 2024 der Zusammenhang zwischen Depression und Körpertemperatur auf jeden Fall bestätigt:
Je schwerer die Depression, desto höher die Körpertemperatur und je geringer ist der Unterschied zwischen der Körpertemperatur zwischen Wach- und Schlafrythmus. Wenn sich die Symptome eines Menschen mit Depressionen verbessern, normalisiert sich auch seine Körpertemperatur wieder.
Körpergrundtemperatur erhöhen als Behandlungsansatz
Es könnte also sinnvoll sein, zu versuchen, die Körpertemperatur von Menschen, die an Depressionen leiden, zu senken und sie dabei zu unterstützen, dass sich ihre Körpertemperatur schneller anpasst. Das kann sowohl über Kälteanwendungen (Kalt duschen, Eis baden), aber auch über Wärmeanwendungen gehen, die dem Körper helfen, sich selbst zu regulieren.
Wärmeanwendungen scheinen vielversprechend
Es deutet einiges auf die Wirkung von der sogenannten Ganzkörperhyperthermie (WBH, für „Whole-Body-Hyperthermia“) zur Behandlung von Depressionen hin. Bei dieser Behandlung wird die Körpertemperatur mithilfe von Infrarotstrahlung in einem Saunadome ca. 1,5 Stunden auf einen Wert angehoben, der leichtem Fieber gleichkommt (38,5 Grad). Es ist also keine handelsübliche Sauna, aber ein Gerät, das frei verkäuflich ist. Von exessiven Saunagängen zur Selbstbehandlung sei hier aber ausdrücklich abgeraten. Jeder sollte vorab mit seinem behandelnden Arzt darüber Rücksprache halten. Auf jeden Fall würde dieser Behandlungsansatz die Selbstwirksamkeit an Depressionen leidender Menschen stärken. Daher sollte unbedingt weiter in diese Richtung geforscht werden – das findet auch die leitende Psychologin dieser Studie. Sie würde gerne, dass in den USA anschließend diese Saunagänge von den Krankenkassen bezahlt werden.
Dass ein Zusammenhang von Körpertemperatur und Depressionen ist nicht neu
Dass die Körpertemperatur bei Depressionen eine wichtige Rolle spielt, ist keine neue Erkenntnis. Der Gelehrte Parmenides von Elea (ca. 540-480 v.Chr.) soll bereit gesagt haben:
Gebt mir die Macht, Fieber zu erzeugen, und ich heile euch alle Krankheiten!”
1927 wurde der Nobelpreis für Medizin an dem umstrittenen Psychiater und Neurologen Julius Wagner von Jauregg aus Wien verliehen. Er hatte durch genaue klinische Beobachtung festgestellt, dass psychotische Symptome und Depressionen bei Patienten mit fieberhaften Erkrankungen vorübergehend eine Besserung erfuhren. Daraufhin hat er versucht, das Fieber künstlich mit Hilfe der Einimpfung von Malaria-Keimen zu behandeln. Etwa zeitgleich entdeckte der New Yorker Internist William Coley, dass manche Tumorerkrankungen zu heilen sind, wenn der Körper mit Fieber auf eine Kleinstmenge abgetöteter Bakterien reagiert