Studie belegt erneut: Gelingende Beziehungen zu Erwachsenen sind der entscheidende Resilienzfaktor für belastete Kinder

Was hält Kinder gesund, die sehr belastet aufwachsen? Dieser Frage gingen erneut Forschende der amerikanischen Columbia Universität nach. Sie werteten Daten einer Langzeitstudie von 2.000 Menschen aus, die sie über 20 Jahre hinweg begleiteten. Alle waren puertoricanischer Abstammung – einige lebten auf der US-Karibikinsel Puerto Rico, andere in der Bronx in New York. Viele wuchsen mit Armut, Vernachlässigung oder häuslicher Gewalt auf.

Gelingende Beziehung zu einem Erwachsenen ist Schlüsselfaktor für Resilienz

Als Schlüsselfaktor stellte sich erneut ein zentraler Faktor heraus:

Kinder, die sich trotz aller Belastungen gesund entwickelten hatten mindestens zu einem Elternteil (vor allem die Mutter) oder zu einem anderen Erwachsenen eine gelingende Beziehung aufgebaut und dieser Mensch hatte sich fürsorglich und warmherzig ihnen gegenüber verhalten.

In ihrem späteren Leben litten diese Kinder seltener an Stress, schweren Depressionen und oder allgemeinen Angststörungen und Drogenkonsum.

Beziehungen zu Gleichaltrigen und ein ausgeprägter Familiensinn hatten dagegen kaum Einfluss auf eine spätere gesunde Entwicklung. Religiosität in der Familie wirkte sich sogar nachteilig aus.

Ergebnis bestätigt vorherige Kauai-Langzeitstudie und einen gesunden Menschenverstand

Dass dieser Punkt zentral für eine gesunde Entwicklung eines Kindes ist, ist wenig überraschend: Bereits Emmy Werner hat in ihrer über mehrere Jahrzehnte dauernden Kauai-Studie als entscheidenen Resilienzfaktor ermittelt. Außerdem ist er logisch. Jeder Mensch braucht als Kind eine ausreichende Erfüllung seiner emotionalen Bedürfnisse, um sich gesund zu entwickeln. Diese Person hilft dem Kind meistens, weitere Resilienzfaktoren wie hilfreiche Copingstrategien zu entwickeln. Das Kind lernt am Rollenmodell.

Patenschafts- und Mentoringansätze für hochbelastete Kinder sind dringend finanziell zu fördern

Wichtiger als Geld in weitere Forschung dazu zu investieren, ist die Forschungsergebnisse endlich in die Praxis zu transferieren. Noch immer werden Patenschaftsangebote, die ehrenamtliche Patinnen und Paten an Kinder mit psychisch erkrankten Eltern und andere teilweise hochbelastete Kinder vermitteln, finanziell gar nicht oder nur in geringem Maße staatlich finanziert. Das gilt es dringend zu ändern. Nicht nur, um den Individuen zu einer besseren Gesundheit zu verhelfen, sondern auch, um die gravierenden Folgekosten für unsere Gemeinschaft zu senken.

Patenschaftsansätze habe Tradition

Der Patenschafts- bzw. Mentoringansatz hat dabei eine lange Tradition.

Taufpaten gab es bereits in der frühen Kirche. Sie unterstützten erwachsene TaufbewerberInnen bei der Vorbereitung, bürgten für die Ernsthaftigkeit des Taufbegehrens und bezeugten die Sakramentenspendung; bei einem Kind versprach der Pate dessen christliche Erziehung.

Im 18. und 19. Jahrhundert kam zum spirituellen ein weltlicher Aspekt hinzu: In Adel und Bürgertum war nicht mehr nur der Glaube ausschlaggebend, sondern auch die finanzielle Lage des Paten – um gute Voraussetzungen für das gesellschaftliche Fortkommen zu schaffen und das Kind im Notfall versorgt zu wissen. Auf dem Land wählte man Familienmitglieder aus, die im Fall des Todes beider Eltern die Sorgepflicht übernahmen.

Faktoren, die den weltlichen Patenbedarf fördern

Der Tod von Eltern während ein Kind noch nicht das Erwachsenenalter erreicht hat, ist in der westlichen Welt zum Glück seltener geworden. Aber dass Eltern nicht wirklich zur Verfügung stehen, ist häufig. Psychiatrische oder anderweitige schwere Erkrankungen sind dabei nur ein möglicher Faktor. Gleichzeitig wachsen immer weniger Kinder in großen Familiensystemen auf, die einen zeitweisen oder dauerhaften tatsächlichen Ausfall eines Elternteils ausreichend auffangen können. Umso wichtiger wird es, dass für Kinder aus belasteten Elternhäusern flächendeckend Paten gesucht werden.

Quellen & Vertiefung

Aktuelle zitierte Studie

VanBronkhorst SB, Abraham E, Dambreville R, u.a. Soziokulturelles Risiko und Resilienz im Kontext Kindheit widrigerssen JAMA Psychiatrie. Veröffentlicht online 27. Dezember 2023. doi:10.1001/jamappsychiatrie.2023.4900

Zur Kauai-Studie von Emmy Werner und weiteren Resilienzstudien

Kauai-Längsschnittstudie

Zur Tradition von Taufpaten

Anja Legge: Was Paten zur Taufe wissen sollten, in Kirche + Leben, 20.01.2020 online: https://www.kirche-und-leben.de/artikel/was-paten-zur-taufe-wissen-sollten [Abruf 25.01.2024]

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