Wenn Eltern schwer erkranken, sind ihre Kinder immer von deren Belastungen mit betroffen. Das gerät zunehmend ins Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit. Darauf macht auch ein aktueller Artikel im sprektrum.de aufmerksam. Noch hilfreicher wäre es gewesen, wenn im Artikel inhaltlich auf die besonderen Belastungen von Kindern eingegangen worden wäre, deren Eltern zwar erkrankt sind, sich aber nicht als krank wahrnehmen bzw. die Erkrankung verleugnen bzw. verdrängen. Das ist besonders bei Eltern, die an Psychosen erkrankt oder sucherkrankt sind der Fall. Gerade ihre ältesten Kinder oder Einzelkinder erleben oft, dass sie zwar mit Handlungen versuchen, ihrem Ohnmachtsgefühl entgegen zu wirken, aber ihre Hilfe von ihren erkrankten Eltern größtenteils nicht als solche erkannt und gewertschätzt wird. Manchmal werden sie sogar noch dafür bestraft: „Du bist schuld, wenn jetzt das Jugendamt kommt und euch ins Heim bringt.“ Diese Art von Parentifizierung ist die schädlichste für Kinder und verhindert eine gesunde emotionale Entwicklung, wenn sie über einen längeren Zeitraum anhält. Die Folgen sind für betroffene Kinder, dass sie durch ihre hohe innere Anspannung oft psychosomatische Beschwerden entwickeln und weder ein Vertrauen in ihre eigenen Kräfte und Fähigkeiten entwickeln können (da Selbstwirksamkeit fehlt) noch in das von anderen Erwachsenen, wenn sie mit ihren Nöten allein gelassen werden. Um das zu verhindern ist es für jeden jungen Menschen wichtig, dass er mindestens einen Erwachsenen konstant an seiner Seite hat, der ihn dabei unterstützt, das Erlebte einzuordnen und der für ihn da ist, so dass sich diese parentifzierten Kinder wenigstens nicht mit ihren Sorgen allein gelassen fühlen.
Esther Megbel: Kinder kranker Eltern – „Kannst du daran sterben Mama?“ spektrum.de vom 16.08.2021