Eine Studie, die von Forschern der Johannes Gutenberg-Universität Mainz 2017 veröffentlicht wurde, beleuchtet die tiefgreifenden Auswirkungen von Kindheitstraumata auf das spätere Leben. Die Studie basiert auf einer repräsentativen Umfrage der deutschen Bevölkerung mit mehr als 2.500 Teilnehmern, die zwischen 14 und 92 Jahre alt waren.
Die Auswirkungen von Kindheitstraumata:
Ein lebenslanger Schatten
Die Forscher zeigen in ihrer Arbeit auf, dass negative Kindheitserfahrungen – darunter emotionaler, physischer und sexueller Missbrauch sowie Vernachlässigung – langanhaltende Spuren im Erwachsenenalter hinterlassen können. Laut der Studie „führt die Erfahrung, von Personen geschädigt zu werden, die eigentlich Schutz bieten sollten, zu schwerwiegenden neurobiologischen, somatischen und psychischen Schäden im sich entwickelnden Kind“ (Beutel et al., 2017, S. 1) . Diese Traumata beeinflussen nicht nur das psychische Wohlbefinden, sondern auch die körperliche Gesundheit, da sie das Risiko für chronische Erkrankungen erhöhen.
Besonders alarmierend ist der enge Zusammenhang zwischen Kindheitstraumata und erhöhtem Distress, also starkem psychischen Stress, sowie somatoformen Beschwerden, die sich im Erwachsenenalter manifestieren können. Erwachsene, die in ihrer Kindheit schwere Traumata erlitten haben, berichten häufiger über körperliche und psychische Probleme im späteren Leben. Die Studie unterstreicht daher die Notwendigkeit, Kinder frühzeitig vor traumatischen Erlebnissen zu schützen, um lebenslange Folgen zu verhindern.
Resilienz als Schutzfaktor: Hoffnung für die Zukunft
Ein zentrales Ergebnis der Studie ist jedoch auch, dass Resilienz – also die Fähigkeit, mit belastenden Situationen positiv umzugehen – eine schützende Rolle einnimmt. „Resiliente Personen berichteten trotz schwerer Kindheitserfahrungen über weniger psychischen Stress und somatische Symptome“ (Beutel et al., 2017, S. 7) . Diese Ergebnisse zeigen, dass gezielte Interventionen, die die Resilienz von Kindern stärken, dazu beitragen können, die negativen Auswirkungen von Traumata abzufedern. Diese Erkenntnisse bieten Inspiration für Projekte und Fördermittel, die sich auf die Prävention und Bewältigung von Kindheitstraumata konzentrieren.
Relevanz für Arztpraxen:
Wahrnehmung von Kindheitstraumata bei Erwachsenen sinnvoll
Ein besonders interessanter Aspekt der Studie ist die Empfehlung, dass auch in Arztpraxen für Erwachsene verstärkt nach Kindheitserfahrungen gefragt werden sollte. „Frühe negative Lebenserfahrungen resultieren in kognitiven Defiziten, die wiederum das Verhalten und die psychische Gesundheit im Erwachsenenalter beeinflussen“ (Beutel et al., 2017, S. 9) . In den USA wird dieser Ansatz bereits in vielen Praxen umgesetzt, um frühzeitig die Ursachen für chronische Beschwerden und psychische Störungen zu identifizieren. Es wäre sinnvoll, diese Praxis auch in Deutschland zu etablieren, um Erwachsenen, die in ihrer Kindheit Traumata erlitten haben, gezielt helfen zu können.
Fazit
Die neue Studie von Beutel und Kollegen verdeutlicht einmal mehr die Bedeutung von frühzeitigen Schutzmaßnahmen für Kinder. Sie zeigt nicht nur die langfristigen Folgen von Kindheitstraumata auf, sondern auch, wie wichtig es ist, die Resilienz von Kindern zu stärken. Für unser Gesundheitssystem wäre eine Abfrage von Kindheitstraumata in Hausarzt- und Facharztpraxen sinnvoll, um Risiken besser einschätzen und vorbeugen zu können.