Wie Vireninfektionen von Vorfahren das Risiko für schwere psychiatrische Erkrankungen beeinflussen könnte – aktuelle Studie

Dass schwere psychiatrische Erkrankungen wie Schizophrenie, bipolare Störung und schwere Depressionen irgendwie erblich beeinflusst werden, gilt als gesichert. Dafür sprechen die hohen Konkordanzraten bei ein- und zweieiiger Zwillingen. Doch was genau und wo vererbt wird, ist immer noch unklar, obwohl einige Genorte für Schizophrenie gefunden worden zu scheinen. Ebenfalls erforscht ist, dass Vireninfektionen offensichtlich den Ausbruch dieser Erkrankungen begünstigen können. Sie scheinen aber auch über die Generationen hinweg eine wichtigere Rolle als bislang angenommen spielen zu können wie Forschende herausfanden.

Human endogene Retroviren (HERV) werden vererbt

Acht Prozent unseres Erbguts stammt von alten Viren ab, ist also nicht menschlicher Herkunft. Es handelt sich dabei um die Überreste von Infektionen, die unsere Vorfahren vor tausenden Jahren durchlebten und die durch die Vererbung an uns nachfolgende Generationen weiter gegeben werden. Diese humanen endogenen Retroviren (HERV) scheinen aktiver als bislang angenommen wurde. Dabei sind diese Retroviren teilweise nützlich und teilweise schädlich zu sein, in dem sie beispielsweise Krankheiten begünstigen.

HERVs scheinen eine Rolle bei der Entstehung bestimmter psychiatrischer Erkrankungen zu spielen

Wissenschaftler vom Kings College in London haben nun herausgefunden, dass 5.000 virale Gene im Gewebe des menschlichen Stirnhirns aktiv sind und 26 von ihnen ein Aktivitätsmuster zeigten, das mit psychiatrischen Erkrankungen verbunden ist. Fünf der endogenen Retroviren scheinen besonders einflussreich zu sein: zwei HERV-Signaturen für Schizophrenie, eine für Schizophrenie und bipolarer Störung und eine für schwere Depression. Für Autismus und ADHS ist nichts gefunden worden. Zwar identifizierten die Forschenden sieben genetische Aktivitätssignaturen, die mit diesen Erkrankungen verknüpft sind, doch von diesem stammte keine von einem endogenen Retrovirus ab.

„Unsere Ergebnisse legen nahe, dass solche endogenen viralen Sequenzen wahrscheinlich eine größere Rolle im menschlichen Gehirn spielen als ursprünglich angenommen“, sagt Seniorautor Timothy Powell vom King’s College London. „Dabei sind spezifische HERV-Expressionsprofile mit einer erhöhten Anfälligkeit für bestimmte psychische Erkrankungen verknüpft.“

Wirkmechanismus der HERVs noch unklar, aber wichtig zu verstehen, um neue Therapieansätze entwickeln zu können

Noch ist allerdings nicht geklärt, über welche Mechanismen diese endogenen Retroviren das Risiko für Schizophrenie, Depression oder bipolare Störung erhöhen. Die Analysen legen aber nahe, dass dies auf einem relativ direkten Weg geschieht und nicht nur indirekt, beispielsweise über einen Effekt auf das Immunsystem und die Entzündungsanfälligkeit des Gewebes. „Unsere Resultate deuten darauf hin, dass die Expressions-Regulation dieser HERVs für die Hirnfunktion wichtig ist“, sagt Duarte.

Nach Ansicht der Forschenden könnten dies neue Ansätze für die Diagnose und Therapie der psychischen Erkrankungen bieten. „Ein besseres Verständnis dieser uralten Viren und der an psychischen Erkrankungen beteiligten Gene könnte die Erforschung mentaler Gesundheit revolutionieren und neue Wege eröffnen, solche Störungen zu behandeln oder zu diagnostizieren“, sagt Koautor Douglas Nixon von der Cornell University in New York.

Quellen

Duarte, R.R.R., Pain, O., Bendall, M.L. et al. Integrating human endogenous retroviruses into transcriptome-wide association studies highlights novel risk factors for major psychiatric conditions. Nat Commun 15, 3803 (2024). https://doi.org/10.1038/s41467-024-48153-z

Nadja Podbregar: Sind Virengene mitschuld an Schizophrenie und Co? In unserem Genom aktive virale DNA könnte Mitauslöser psychischer Erkrankungen sein, Scinexx Onlinemagazin, 27.05.2025

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